Der „Kirchenbote“ berichtete im September

Mit der Hilfe von Phil Collins und dem heiligen Martin

Hans Eber-Huber hat die Begegnungsstätte Lichtblick nach schwerem Beginn zum Sozialunternehmen mit familiärer Atmosphäre gemacht.

„Die Polizei musste ich seit Jahren nicht mehr rufen.“ Hans Eber-Huber sagt das mit tiefer Zufriedenheit. Denn bei seinem Start als Leiter der Neustadter Tagesbegegnungsstätte Lichtblick vor 21 Jahren sah das anders aus. Doch jetzt ist aus der ehemaligen Suppenküche ein mittelständisches Sozialunternehmen geworden.

Eber-Huber begann im März 1999. Zuvor war der aus dem Neustadter Ortsteil Haardt stammende Sozialarbeiter in der Suchtkrankenhilfe und als externer Drogenberater in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal tätig. Und Sucht spielte auch bei seiner neuen Aufgabe eine Rolle. Etwa 30 bis 40 Menschen seien damals täglich gekommen. Oft hätten sie Alkohol mitgebracht, seien aggressiv geworden. Immer wieder kam die Polizei. Nach drei Monaten wollte der Sozialarbeiter aufhören. Doch er hielt durch, erließ ein Alkoholverbot und feste Regeln im Umgang miteinander. Zum Jahresende geht er nun mit 63 Jahren in die passive Phase der Altersteilzeit.

Dass er durchgehalten hat und heute sagen kann, die Arbeit sei sehr befriedigend gewesen, hat viel mit den Initiatoren der Suppenküche zu tun. Nachdem Anfang der 1990er Jahre Obdachlose in Neustadt erfroren waren, haben sich sozial engagierte Menschen zusammengefunden, um Obdachlosen zu helfen. Bei Problemen stand dieser mittlerweile als Lichtblick-Förderverein firmierende Initiatorenkreis Eber-Huber immer zur Seite.

Sehr nahe dran sei dabei die damalige Neustadter Dekanin Heide Müller gewesen, sagt Eber-Huber. Sie überzeugte auch den Bezirkskirchenrat und die Bezirkssynode, dass das Dekanat Neustadt Träger der Einrichtung wurde. Damit waren feste Strukturen geschaffen. Heute gibt es ein großes Netz von Unterstützern: ein Rechtsanwalt berät die Besucher, ein Caterer bringt einmal wöchentlich das Essen, viele Organisationen und Vereine spenden, viele Ehrenamtliche helfen.

Das Startkapital zum Herrichten des Anwesens in der Amalienstraße zum heutigen Lichtblick lieferte jedoch der Popmusiker Phil Collins. Er spendete den Erlös eines Konzerts der Caritas Obdachlosenhilfe. Eber-Hubers Vorgängerin als Leiterin der Suppenküche, die katholische Ordensschwester Pat Casey, besorgte davon einen größeren Teil.

Doch Eber-Huber war es nicht genug, die Menschen mit täglich rund 60 Essen satt zu bekommen, ihnen ein Dach überm Kopf zu besorgen und sich um ihre Finanzen zu kümmern (Der Lichtblick führt etwa 40 Konten für seine Besucher und hat sieben Wohnungen angemietet). Der Lichtblick-Leiter wollte dem Leben dieser Menschen darüber hinaus Struktur geben.

Eine erneute Initialzündung kam von einem Kindergarten. Zu St. Martin hatten die Kinder ihre Lieblingsstofftiere verkauft, um das Geld den Armen zu schenken. Als der Lichtblick das Geld erhielt, fragte Eber-Huber die Leiterin, ob er und seine Leute nicht etwas für sie tun könnten. Wenig später brachten Lichtblick-Besucher die Außenanlage des Kindergartens in Ordnung und strichen die Spielgeräte.

Die Idee des „Solipakts“ war geboren. „Wer etwas für uns tut, für den wollen wir was tun“, sagt Eber-Huber. Daraus entstand ein soziales Wirtschaftsmärchen. Heute entrümpelt der Lichtblick Wohnungen, verkauft in einem Laden gebrauchte Möbel und Haushaltswaren, betreibt eine Kleiderkammer, repariert und verkauft Fahrräder. Dabei wird stets darauf geachtet, nur Bedürftigen zu helfen, um keine Konkurrenz für Wirtschaftsbetriebe zu sein. Etwa ein Drittel der benötigten Mittel werden so erwirtschaftet, sagt Eber-Huber.

Die Arbeiter erhalten neben den Staatsleistungen dafür ein zusätzliches Taschengeld. Auf diesem Weg kommt der Lichtblick auf 40 Mitarbeiter, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben, aber keinen Betreuer brauchen oder einen Platz in einer Behindertenwerkstatt. Sie organisieren große Teile ihrer Aufgaben weitgehend selbstständig.

Was mit der Solidarität und dem Engagement der Lichtblick-Leute möglich ist, zeigte sich während der Corona-Krise. „Wir hatten keinen Tag geschlossen“, sagt Eber-Huber. Als die Neustadter Tafel schließen musste, übernahm der Lichtblick auch diese Aufgabe. Mit Disziplin hielten sich dabei alle an die Corona-Regeln. Allerdings habe unter den Einschränkungen ein wesentliches Markenzeichen des Lichtblick gelitten: „die intime, familiäre Atmosphäre“, sagt Eber-Huber.  Klaus Koch

Die Politik vertraut zu oft den Falschen
von Klaus Koch

Die Tagesbegegnungsstätte Lichtblick ist ein starkes Stück. Ein starkes Stück Sozialarbeit und ein starkes Stück Kirche. Es war nicht selbstverständlich, dass der Kirchenbezirk Neustadt Ende der 1990er Jahre die Verantwortung für die Einrichtung übernommen hat. Eigentlich gehört eine solche Trägerschaft nicht zu den Aufgaben eines Kirchenbezirks. Aber es hat sich gelohnt. Im Lichtblick ist die Kirche da, wo sie hingehört: bei Armen und Schwachen.

Aber auch die Sozialarbeit, die Hans Eber-Huber über zwei Jahrzehnte geleistet hat, ist exemplarisch. Sie zeigt, was möglich ist bei der Integration benachteiligter Menschen. Sie zeigt aber auch beispielhaft die Schwächen der deutschen Sozialpolitik. Diese Politik nämlich ist geprägt von Misstrauen. Jede Leistung, die der Staat gewährt, wird argwöhnisch überwacht. Immer steht die Frage eines möglichen Missbrauchs im Raum. Der Lichtblick-Leiter schämt sich fast, dass er seinen Leuten nur ein kleines Taschengeld zahlen kann. Sie bekommen von einer Behörde ihre Sozialleistungen, verbunden mit regelmäßigen Bescheiden. Dabei wäre es sinnvoller, das Geld als Lohn zu zahlen. Die Menschen arbeiten ja regelmäßig, ein Grundeinkommen wäre also nicht bedingungslos.

Und kosten würde es nur unwesentlich mehr als Hartz IV, Wohngeld und der Zuschuss vom Lichtblick als Arbeitgeber. Die Vorteile wären enorm. Die Menschen würden sich nicht mehr von einer Behörde abhängig fühlen, sondern würden im Wortsinn von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Im Lichtblick ist beeindruckend zu sehen, wie gut es Menschen tut, wenn sie eine Aufgabe und Verantwortung haben. Fördern und fordern ist ein untaugliches Motto der Sozialpolitik. Es muss darum gehen, die Fähigkeiten und Möglichkeiten, die in einem Menschen in schwieriger Lebenslage stecken, zu wecken und wertzuschätzen. Das hilft in den meisten Fällen viel mehr als ein Forderungskatalog, der im Gegenzug für staatliche Leistungen erfüllt werden muss. Und zudem entspräche ein solcher sozialpolitischer Ansatz auch dem christlichen Menschenbild, wonach sich der Wert eines Menschen nicht danach bemisst, was er zu leisten in der Lage ist.

Wer die Kontrollen bei der Sozialhilfe beobachtet, sieht schnell, dass die Politik dieser Gleichwertigkeit der Menschen nicht gerecht wird. Zehn Euro zu viel Zuverdienst, ein nicht eingehaltener Termin beim Amt oder eine fünf Quadratmeter zu große Wohnung werden schnell geahndet. Das ist ein trauriges Bild, wenn man auf der anderen Seite sieht, welche Eiertänze Politiker machen, wenn sie erklären müssen, warum keiner gemerkt hat, dass ein Unternehmen wie Wirecard Milliarden veruntreut. Oder warum es so schwer ist, dubiose Steuersparmodelle bei Aktiengeschäften zu unterbinden oder gerechte Steuern bei internationalen Großkonzernen einzukassieren. Oft investiert die Politik ihr Vertrauen in die Falschen.

Quelle: www.kirchenbote-online.de